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Stille Pausen

 

Letzte Woche gab mir einer meiner Schüler ein sehr wertvolles Feedback. Er meinte, dass es vielleicht nicht nötig sei, immer wieder zu betonen, wie wichtig es ist, regelmäßig Pausen einzulegen, dass man die Erlaubnis dazu hat und dass diese Pausen entscheidend sind, damit die Lektionen ihre Wirkung entfalten können.

 

Ich hielt dagegen, dass dies eine der wichtigsten Anweisungen ist, die ich seit Jahren immer wieder betone. Viele der anwesenden Schüler*innen bestätigten, wie bedeutend es für sie war, diese Erinnerung regelmäßig zu hören.

Doch mein Schüler differenzierte sein Feedback weiter und erklärte, dass er es als wohltuend empfinden würde, wenn in diesen Pausen weniger Anweisungen gegeben würden – dass also Momente ohne Stimme entstünde.

 

An diesem Punkt wurde ich aufmerksam. Denn ich erinnerte mich an ein Feldenkrais®-Seminar, das ich bei meiner Kollegin Agnes Kalbhenn besuchte. Dort erlebte ich selbst, wie kraftvoll und tief die Wirkung von langen, stillen Pausen sein kann. Diese Erfahrung war so eindrucksvoll für mich, dass ich mir fest vornahm, auch meinen Schüler*innen mehr Raum für solche Stille zu geben.

 

Um zu verdeutlichen, worum es mir – und vielleicht auch meinem Schüler – geht, möchte ich einige Auszüge aus einem inspirierenden Artikel der Zeitschrift "Feldenkraiszeit" zitieren:

 

„Der Begriff Pause kann auf verschiedene Weise verstanden werden: als Unterbrechung, als Moment der Ruhe oder als Auszeit – vielleicht nur ein Atemzug. In der Pause ist man frei, nicht mehr fremdbestimmt.

Sie bietet Raum und Zeit, in der etwas geschieht – ein kreativer Moment, der die Lernenden in eine unerwartete innere Aktivität einbezieht und diese bewusst macht.

Dieses ‚Sich-Immer-Wieder-Ausruhen‘ zwischen den Bewegungserforschungen gibt Gelegenheit, die Wirkung des eigenen Tuns unmittelbar zu spüren. Der Boden wird zum neutralen Spiegel. Jede Pause orientiert neu und birgt Überraschungen. Orientierungs- und Erkenntnisprozesse verbinden die Pausen miteinander. Pausen ‚informieren‘ und ermöglichen nach jeder Pause neue Entscheidungen.

Ein Teil des Lernens verankert sich in diesem ‚Pausenprozess‘ und bildet die Grundlage für die freie Wahl, das Entdeckte in die nächste Bewegung einzubringen.

Manchmal werden in der Pause Fragen gestellt, manchmal bleibt es ganz still. So ist der Lernende sich selbst, dem Boden, der Schwerkraft und dem gegenwärtigen Moment überlassen. Es kann geschehen, dass die Zeit stillzustehen scheint und eine tiefere Schicht des Nervensystems die Führung übernimmt.

Die Pause ist ein wesentlicher Bestandteil der Feldenkrais-Arbeit. In ihr ist alles vorhanden, und aus ihr heraus ist alles möglich.“

 

Quelle und Inspiration: „Wenn die Pause schwingt“ von Beatriz Walterspiel & Matthias Rießland, Feldenkraiszeit, Heft 13, 2013, Loeper Literaturverlag

(Der Artikel ist lang und sehr schön geschrieben, doch für diesen Zusammenhang soll dies genügen.)

 

Es ist wohl meine Gewohnheit, meine Schüler*innen zu eng zu begleiten und ihnen diesen stillen Raum in den Pausen nicht zu gewähren. Doch dank des wertvollen Feedbacks meines Schülers werde ich dies von nun an bewusster angehen und den Mut aufbringen, mehr Stille zuzulassen.

 

Ich freue mich schon. :-)

 

Food for thought,

Olivia

 

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