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Spüren statt Turnen

 

In den letzten Wochen habe ich mit einigen von euch Gespräche geführt, in denen sich immer wieder die gleiche Frage gestellt hat: Wie kann – oder soll – man eigentlich Feldenkrais®-Lektionen praktizieren?

 

Besonders, wenn man Schmerzen hat – und ich spreche hier von chronischen Schmerzen: eine Schulter, die seit einem Jahr bestimmte Armbewegungen nicht mehr zulässt, oder Verspannungen im Nacken, die das Liegen in Seitenlage unmöglich machen. In solchen Fällen fühlt sich die Praxis schnell wie eine Sackgasse an. Man kommt zu dem Schluss, dass bestimmte Bewegungen oder Positionen einfach nicht mehr möglich sind. Und leider bestätigen einem die Empfindungen nach der Lektion diesen Eindruck oft: keine Linderung, keine Entspannung, keine Schmerzfreiheit – dafür Frust und Enttäuschung.

 

Und dann hört man auch noch, es liege an einem selbst: Man hat etwas nicht richtig verstanden, etwas falsch gemacht.

 

Auch für mich als Lehrerin ist das frustrierend. Seit Jahren wiederhole ich scheinbar dasselbe – und trotzdem bleibt das Wesentliche oft ungehört, unverstanden.

Ein Gespräch mit meinem Mann, der selbst seit vielen Jahren täglich mit Eutonie nach Gerda Alexander arbeitet, hat mir in dieser Hinsicht sehr geholfen. Er erinnerte mich zunächst daran, dass ich Tänzerin bin und mich mein Leben lang mit Bewegungsorganisation und Körperbewusstsein beschäftigt habe. Das, was für mich selbstverständlich ist, ist es für meine Schüler*innen oft nicht.

Noch wichtiger war aber unser Austausch über den persönlichen Weg – seinen wie meinen. Als Musiker und Tänzerin haben wir beide mit Leistung und Leistungsdruck gekämpft. Man musste funktionieren. Wir leben in einer Gesellschaft, in der klare Vorstellungen davon existieren, was es heißt, „zu funktionieren“. Einer meiner Schüler hat es so formuliert: „Da geht immer noch mehr.“

Diese Haltung begegnet uns überall – im Sport, im Yoga, im Beruf.

 

Doch wer erfahren will, was Feldenkrais® wirklich zu bieten hat, muss genau diese Haltung als Erstes verlernen. Denn sie steht jeglicher Veränderung im Weg.

Ich weiß, das ist nicht leicht. Schließlich zahlt man Geld für die Stunde – und dann soll man nur „herumliegen“ und scheinbar „nichts“ tun?

Die Antwort darauf lautet: Ja – und nein.

Wir vergessen zu leicht, dass Feldenkrais® keine gewöhnliche Bewegungsmethode, keine „Gymnastik“ ist. Es geht nicht darum, die Bewegungen richtig, schön oder besonders gut auszuführen.

 

Aber wie dann?

Stell dir vor, eine angeleitete Bewegung tut weh. Wenn du sie kleiner machst, tut sie weniger weh – und vielleicht gar nicht mehr. So entsteht Raum, um die Aufmerksamkeit auf andere Aspekte der Bewegung zu richten:

Wo beginnt sie?

Was bewegt sich mit?

Wie atmest du dabei?

Wie verändert sich dein inneres Bild der Bewegung?

Manchmal ist der Schmerz so hartnäckig, dass schon jede Bewegung zu viel ist. Dann übe die Bewegung nur in deiner Vorstellung.

Vielleicht ist es aber schon die Position selbst, die dir nicht guttut. Dann wird das Finden einer alternativen Lage zum Thema deiner Stunde. Oder du gehst in kleinen Schritten in die Position hinein und beobachtest: Ab wann wird es unangenehm? Was will nicht mit?

Dann bleibst du dort – und atmest.

 

Was ich sagen will: Weil die Anleitungen eine bestimmte Bewegung in Worte fasst, fokussieren wir uns oft zu sehr auf das „Endstadium“ dieser Bewegung. Doch das Ziel ist nicht das Ende – sondern der Weg dorthin, vielleicht sogar nur der Anfang. Oder noch extremer: der Übergang zwischen Absicht und Anfang der Bewegung.

Wir wollen verstehen, wie wir etwas tun – nicht, ob wir es können. Das ist ein grundlegender Unterschied im Umgang mit Bewegung.

 

Und ich, als Lehrerin, verspreche mir das ebenfalls immer wieder zu Herzen zu nehmen – und meine Anleitungen so zu gestalten, dass meine Schüler*innen beobachtend unterwegs sind, nicht ausführend.

 

Food for thought!

Olivia

 

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