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Feldenkrais® für die Seele

Seit Anfang Juli vertrete ich in einer psychosomatischen Klinik. Die Klinik bietet neben tiefenpsychologischer Psychotherapie auch verschiedene Ansätze der Kunst-, Gestalt- und Körpertherapie an. Es gibt Einzel- und Gruppenangebote. Üblicherweise umfasst eine Gruppe bis zu 12 Patientinnen und Patienten – Frauen und Männer unterschiedlichen Alters und aus verschiedenen Lebenswelten.

 

Es handelt sich dabei nicht um Menschen, die psychiatrische Hilfe im engeren Sinne benötigen. Es sind keine „Irren“. Nein – es sind Menschen, die buchstäblich vor Angst erstarrt sind oder in bestimmten Gedankenmustern feststecken. Sie sind sehr traurig, sehr wütend oder sehr erschöpft, und sie leiden an Schmerzen – im Körper und in der Seele. Also: Menschen wie du und ich. Nur fällt es ihnen – schon immer oder gerade jetzt – schwer, in der Gesellschaft zu funktionieren.

 

Feldenkrais®, mit seinem Fokus auf einen achtsamen Umgang mit sich selbst, auf das Gefühl, nach Hause zu kommen, und auf die Stärkung innerer Resilienz, erschien mir ein guter Weg. Aber ich beobachte, dass es teilweise ein schwer aushaltbarer Weg ist – oder auf jeden Fall keiner, den man zu lange am Stück gehen kann. Ablenkung und Verdrängung sind unsere üblichen Antworten auf Unwohlsein. Unsere Bildschirmkultur hat dies ins Extreme gesteigert. Feldenkrais® ist das Gegenteil davon: ein sehr fokussiertes und differenziertes Hinschauen auf das, „was ist“. Ich glaube, dass dies einer der Gründe ist, warum die Methode nicht so weit verbreitet ist, warum sie nicht „viral“ gegangen ist.

 

Feldenkrais® müsste – als Werkzeug – überall präsent sein: in Schulen, Universitäten und anderen Bildungsstätten, am Arbeitsplatz, in Altersheimen, in Krankenhäusern, in Theatern, im Hochleistungssport, in Armeen, in der Wissenschaft. Alle Führungspersonen und alle Politiker*innen sollten es kennen.

Wie sähe die Welt wohl aus, wenn Feldenkrais® so selbstverständlich wäre wie ein Zahnarztbesuch?

 

Ich bin nicht auf einer Mission und möchte niemanden „bekehren“. Es gibt zudem viele andere sehr wertvolle Praktiken. Für mich ist es eher eine Grundsatzfrage: Warum schaffen wir Menschen es so oft nicht, uns selbst zu helfen?

Vielleicht, weil wir es nie gelernt haben… Ich sehe in der Klinik viel Hilflosigkeit, Ratlosigkeit und Verzweiflung.

 

Obwohl die Klinik ein therapeutischer Kontext ist, sehe ich mich weiterhin als Lehrerin – als Begleiterin eines Lernprozesses. Warum lernen wir als Kinder nicht mehr über den Körper und die Verbindung zwischen Körper und Seele? Warum lernen wir früh im Leben keine Praktiken zur Selbstwahrnehmung und Achtsamkeit? Warum lernen wir nicht, uns zu regenerieren und unsere Gefühle über den Körper zu regulieren?

 

Wie dem auch sei: Ich entscheide mich, mit meinen Patientinnen und Patienten den Weg der kleinen Schritte zu gehen – oder auch den Weg der regelmäßigen Praxis.

Aber wie immer ist das Wichtigste, dass ich ihn selbst gehe. ;-)

 

Food for thought!

Olivia

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