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Umarmungen für Leben und Wachstum

"Wir benötigen vier Umarmungen am Tag, um zu überleben. Wir brauchen acht Umarmungen am Tag, um zu gedeihen. Wir benötigen zwölf Umarmungen am Tag, um zu wachsen."

– Virginia Satir

 

Dies ist eines der bekanntesten Zitate von Virginia Satir, einer US-amerikanischen Psychotherapeutin und einer der bedeutendsten Familientherapeutinnen.

 

Eine Umarmung mag eine kleine Geste sein, aber sie ist voller Wärme, wenn sie von innen heraus gegeben wird. Sie ist eine der bedeutendsten Formen der Zuneigung in unserer Kindheit und eine schöne Möglichkeit, die Seele anderer Menschen zu berühren, wenn wir erwachsen sind.

 

Seit drei Monaten tanze ich (wieder) intensiv Tango. Vor zwanzig Jahren habe ich bereits mit meinem Mann Tango gelernt und getanzt, damals in Venedig. Nach der Geburt unserer Tochter haben wir jedoch aufgehört, unter anderem aufgrund meiner Hüftarthrose, die mich daran hinderte, weiterzumachen. Nun, mit meinen neuen Hüften, hat mich das Tangofieber jedoch wieder ergriffen. Es ist wie eine Sucht; ich könnte stundenlang tanzen, und es ist nie genug. Nach nur wenigen Tagen verspüre ich bereits das Verlangen, wieder tanzen zu gehen.

 

Das Tanzen des argentinischen Tangos ist ein stark ritualisiertes und kodifiziertes Geschehen, und es ist dadurch ein sehr geschützter Raum. Es wird kaum gesprochen, dennoch kommt man sich so nahe, wie sonst nur in der Intimsphäre möglich ist. Man lädt durch einen Blick und ein Kopfnicken ein; gesprochen wird nur sehr wenig zwischen den drei oder vier Tangos, die man zusammen tanzt – wenn überhaupt. Nach diesen drei oder vier Tangos, die man als Tanda bezeichnet, erklingt eine ganz andere Musik – das Zeichen, sich zu bedanken und sich zu verabschieden. Oft tanzt man nur eine Tanda mit den jeweiligen Tanzpartnern. Manchmal war es frustrierend oder schwer oder lustig, manchmal ist man nach einer Tanda ganz beseelt.

 

Eine der wichtigsten Fähigkeiten, die man beim Tango erlernen muss, ist die Qualität der Umarmung. Die Umarmung mag simpel erscheinen, ist jedoch sehr komplex zu erlernen und richtig auszuführen. Entspannt und durchlässig, aber voller Präsenz. Tango ist im Grunde genommen eine getanzte Umarmung.

 

Man kann keine Umarmung erhalten, ohne selbst eine zu geben! Und wo umarmt man sich so achtsam und bewusst wie beim Tango? Mein Bedürfnis nach Tango erklärt sich vielleicht durch dieses Kommunikationsabenteuer. Ich lasse mich bei jedem neuen Partner oder jeder neuen Partnerin auf eine neue Begegnung und eine neue Geschichte ein. Wo kann man das schon? Das ist es, was mich nicht loslässt und mich immer wieder zur Milonga treibt.

 

Alles, was ich in meinen Feldenkrais®-Kursen und Improvisationskursen unterrichte, kommt hier ins Spiel: das wache und offene Sein, das In-sich-Ruhen kombiniert mit der Anpassung an den anderen, das Zuhören, das Spüren, das im Hier und Jetzt sein... In der Begegnung mit dem anderen begegnet man auch sich selbst: den eigenen Ängsten, den Selbstzweifeln, dem Ego...

 

Tango ist ein Improvisationstanz. Es gibt keine festgelegten Schrittfolgen; zwar existieren Bausteine, die nach Belieben auf der Musik kombiniert werden können. Ich bin fasziniert von diesem Aspekt und wünsche mir am liebsten keine komplexen Figuren, sondern das einfachste Vokabular, um die tiefe Verbindung mit dem Partner oder die Partnerin und der Musik Ausdruck zu geben.

 

Die Feldenkrais®-Arbeit zu zweit ist ebenfalls improvisiert. Man geht durch Berührung und Bewegung eine Verbindung ein. Die Sitzung oder die Lektion entwickelt sich aus dieser Verbindung, wie ein Tanz. Ich lerne sehr viel beim Tangotanzen für meine Feldenkrais®-Arbeit, und natürlich auch umgekehrt. :-)

 

Wie steht es um die Umarmungen in deinem Leben? Gerade genug zum Überleben oder so viele, dass du wachsen kannst?

 

Food for thought,

Olivia

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